OLG Stuttgart, v. 02.02.2024, Az. 2 U 63/22
Worum geht`s:
Im Mai 2021 erhielt der Kläger einen persönlich an ihn adressierten Werbebrief vom Beklagten. Die Adressdaten bezog der Beklagte hierfür aus einem öffentlich zugänglichen Online-Adressverzeichnis.
Der Kläger war der Ansicht, dass seine Daten durch die Zusendung des Briefs ohne Rechtsgrund und somit unzulässig verarbeitet worden waren und machte daher einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 3.000 € gegenüber dem Absender geltend. Nach erfolgloser Klage vor dem Landgericht legte er Berufung beim OLG Stuttgart ein, wo seine Klage erneut abgewiesen wurde.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entschied, dass sowohl die Erhebung öffentlich zugänglicher Daten als auch die Übersendung eines personalisierten Werbebriefs keinen Verstoß gegen die DSGVO darstellen.
Der Kläger argumentierte mit mangelndem berechtigtem Interesse sowie mit fehlender Erforderlichkeit der Datenverarbeitung und begründete damit einen Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO.
Das Gericht jedoch stütze sich hingegen auf Erwägungsgrund Nr. 47, der Direktwerbung als Beispiel für berechtigtes Interesse nennt. Gemäß Art. 21 Abs. 2 DSGVO umfasst Direktwerbung jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person, etwa durch Zusendung von Briefen. Anhaltspunkte dafür, dass hierfür eine bestehende Kundenbeziehung vorausgesetzt wird, sind nicht ersichtlich.
Außerdem gab das Gericht der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung statt. Eine alternative Zusendung elektronischer Nachrichten stellt in deutscher Rechtsordnung sogar noch eher eine unzumutbare Belästigung dar, als ein als Werbung erkenntlicher Brief.
Die Interessensabwägung fiel zugunsten des Beklagten aus, da die Verarbeitung vor einem Widerspruch des Klägers stattfand.
Darüber hinaus ging das Gericht auf die mangelhafte Darlegung des erlittenen Schadens des Klägers ein. Obwohl kein Grad an Erheblichkeit eines Schadens erforderlich ist, muss ein tatsächlicher Schaden bewiesen werden, um Schadensersatz nach der DSGVO geltend machen zu können. Der bloße Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO allein begründet keinen Schadensersatz (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2023 – C-300/21, Rn. 42, 51). Einer „seelisch belastenden Ungewissheit über das Schicksal der Daten“ als Schaden, wie der Kläger es anführt, ist entgegenzuhalten, dass der Beklagte glaubhaft gemacht hat, die Daten gelöscht, intern mit einem Sperrvermerk-Versehen und nicht an Dritte weiterveräußert hat.
Zentrale Schlussfolgerung:
Das Urteil verdeutlicht, dass das wirtschaftliche Interesse an Direktwerbung als berechtigtes Interesse im Sinne der DSGVO angesehen werden kann und die Versendung personalisierter Briefwerbung als erforderlich gilt, um diesem Interesse nachzukommen. Es bleibt eine Abwägung mit dem Interesse des Beworbenen durchzunehmen. Überwiegt, wie in diesem Fall, hierbei das Interesse des Werbenden, steht die DSGVO einer Datenverarbeitung zur personalisierten Briefwerbung nicht im Wege, unabhängig davon, ob bereits eine Kundenbeziehung besteht. Eine Einwilligung ist demnach nicht erforderlich, um personalisierte Briefwerbung rechtmäßig zu versenden.
Autorin: Sarah Rott