Ab dem 28. Juni 2025 wird Barrierefreiheit auch in privatwirtschaftlichen Unternehmen verbindlich vorgeschrieben. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt damit eine EU-Richtlinie aus 2022 um, die sicherstellt, dass alle Menschen – einschließlich Menschen mit Behinderung, ältere Menschen und Personen mit geringer digitaler Erfahrung – gleichberechtigten Zugang zum Wirtschaftsleben haben. Unternehmen müssen ihre Produkte und Dienstleistungen so gestalten, dass sie diskriminierungsfrei und ohne besondere Hürden zugänglich sind.
Wer ist betroffen?
Das BFSG betrifft eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen. Produkte aus dessen Anwendungsbereich sind beispielsweise Computer, Mobiltelefone, E-Book-Lesegeräte, interaktive Fernseher und Automaten. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Telefonie, Messaging und Bankdienste. Besonders relevant für nahezu alle Unternehmen ist wohl die geforderte Barrierefreiheit von Websites, Webshops und mobilen Apps.
Verantwortlich für die Umsetzung der Maßnahmen sind Hersteller, Händler, Importeur und Dienstleistungsanbieter. Ausgenommen sind lediglich Unternehmen, die Dienstleistungen erbringen, weniger als zehn Mitarbeitende haben und die Jahresumsatz- oder Bilanzsummengrenze von 2 Millionen Euro nicht überschreiten.
Was bedeutet „Barrierefreiheit“ konkret?
„Barrierefreiheit“ besteht nach EU-Richtlinie, sobald die Dienstleistungen und Produkte für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und idealerweise ohne fremde Hilde auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Einheitliche EU-Anforderung, orientiert an bestehenden Siegeln und Normen wie den DIN- oder ISO-Standards, sollen die Umsetzung erleichtern.
Im konkreten Fall bedeutet „Barrierefreiheit“, zu einen die multisensorische Wahrnehmbarkeit der Produkte und Dienstleistungen und deren Informationen, Verpackungen und Anleitungen über mindestens zwei Sinne. Außerdem sollen Schriftgröße und -farbe so gewählt wir, dass Texte auch für Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen gutleserlich gestaltet sind. Es wird außerdem erwartet, dass individuelle Anpassungen zur Optik, Akustik, und Farbgebung getroffen werden können. Manuelle Steuerfunktionen sollen kontrastreich, taktil erkennbar und mit wenig feinmotorischen Anforderungen bedienbar sein. Die zu übermittelnden Informationen müssen auffindbar, wahrnehmbar, und bedienbar sowie verständlich und robust gestaltet sein. Zusätzlich dazu entstehen für die Betroffenen Unternehmen zusätzliche Prüf-, Nachweis- und Mitteilungspflichten. Unternehmen sind zudem verpflichtet, ihre barrierefreien Produkte und Dienstleistungen entsprechend zu kennzeichnen und teils auch in AGBs auf die Konformität hinzuweisen.
Für Selbstbedienungsterminals gibt es eine verlängerte Übergangsfrist bis 2040, da sie spezifische Anforderungen erfüllen müssen, wie z.B. Sprachausgaben, die Verwendung von Einzel-Kopfhörern und kontrastreiche, taktile Bedienungselemente. Für Dienstleistungen, die auf Produkte angewiesen sind, die unter das BFSG fallen, gilt eine Übergangsfrist bis zum 27. Juni 2030. Alle anderen Produkte und Dienstleistungen müssen jedoch bis Ende Juni 2025 barrierefrei gestaltet sein.
Bei Verstößen gegen das BFSG drohen Abmahnungen und Bußgelder bis hin zu 100.000 Euro oder sogar Vertriebsverbote. Unternehmen sollten daher frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um die neuen Anforderungen rechtskonform umzusetzen und unnötige Sanktionen zu vermeiden.
Durch die Einführung des BFSG wird der Zugang zur Wirtschaftswelt für viele Menschen erleichtert und gleichzeitig ein wichtiger Schritt in Richtung eines inklusiveren Gesellschaftslebens getan.
Autorin: Sarah Rott